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Klinischer Fall: Exsudative Dermatitis durch Staphylococcus hyicus und Staphylococcus chromogenes

Der klinische Fall ereignete sich in einem geschlossenen Betrieb mit einem multisite Produktionssystem im Südwesten von Ontario, Kanada.

Einleitung

Die exsudative Dermatitis (Ferkelruß) ist eine bakterielle Hauterkrankung, die bei Schweinen aller Altersstufen auftreten kann. Bevorzugt kommt sie jedoch bei Saugferkeln und bei Ferkeln kurz nach dem Absetzen vor. In fast allen schweineproduzierenden Ländern der Welt ist diese Erkrankung schon einmal beschrieben worden und tritt dort gelegentlich auf den meisten Betrieben auf. Das Bakterium Staphylococcus hyicus ist der Auslöser dieser Hauterkrankung und kann auf der Nase, im Auge und auf der Haut gesunder Schweine und auf der Vaginalschleimhaut gesunder Sauen nachgewiesen werden. Der Erreger kann zudem über mehrere Wochen in der Stallumgebung überleben.

Die stärksten Krankheitsverläufe treten bei Ferkeln auf, die von nicht-immunen Sauen geboren werden. Prädisponierend wirken dabei Hautverletzungen z.B. durch Rangkämpfe, scharfe Zähne, scharfkantige Einstreu und Stalleinrichtung, die dazu führen, dass die natürliche Schutzbarriere der Haut durchbrochen wird. Die Läsionen bei der exsudativen Dermatitis sind mit hitze-labilen, sog. exfoliativen Toxinen assoziiert, die von St. hyicus produziert werden. Mit den Veränderungen in der Haut kommt es zu einer vermehrten Sekretion von Talg und serösem Exsudat. Verluste treten vor allem aufgrund der daraus resultierenden Dehydration auf, obwohl auch Septikämien und Arthritiden beobachtet werden können.

Vorbericht

Der klinische Fall ereignete sich in einem geschlossenen Betrieb mit einem multisite Produktionssystem im Südwesten von Ontario, Kanada. Am Standort der Sauen konnten während der gesamten Zeit keine klinischen Symptome hinsichtlich Ferkelruß beobachtet werden. Dasselbe gilt für die Jungsauen für die Eigenremontierung, die in einem Aufzuchtstall am Sauenstandort gehalten wurden. Die Erkrankung brach zunächst in einem von zwei Ferkelaufzuchtställen auf. Dieser wird kontinuierlich belegt und befindet sich an einem anderen Standort. Einige Monate später traten die klinischen Probleme auch im zweiten Ferkelaufzuchtstall auf.

Akute, lokale exsudative Dermatitis
Foto 1. Akute, lokale exsudative Dermatitis

Jede Woche werden Ferkel mit einem Alter von drei Wochen abgesetzt. Der Originalvorbericht lautete, dass bis ungefähr 10 bis 14 Tage nach dem Absetzen keine klinischen Symptome auftraten. Eine genauere Untersuchung stellte allerdings heraus, dass sich bei einigen Schweinen innerhalb weniger Tage nach dem Absetzen in Hautwunden und -kratzern, die durch Rangkämpfe entstanden waren, lokale Hautläsionen entwickelten. Ein Schleifen der Zähne der Saugferkel wurde in diesem Betrieb nicht durchgeführt. Einige Schweine zeigten nur lokale Entzündungserscheinungen auf der Haut (Foto 1). Andere Schweine wiederum fielen durch ihre Teilnahmslosigkeit und dem schnellen Auftreten einer generalisierten, rötlichen Hautfarbe auf. Die Haut fühlte sich warm an. Dünne, hellbraune Beläge aus Exsudat konnten in der Armbeuge, in der Leistengegend, am Bauch und hinter den Ohren beobachtet werden. Dieses Exsudat breitete sich daraufhin über die gesamte Hautoberfläche aus (Foto 2). Innerhalb kurzer Zeit wurde die Haut dunkler und feucht-schmierig. Schwer betroffene Ferkel zeigten starke Gewichtsverluste und verstarben oftmals innerhalb weniger Tage. Es konnte kein Juckreiz bei den Tieren beobachtet werden. Überlebende Ferkel kümmerten und wurden bei chronischem Verlauf euthanasiert. Normalerweise betrug die Mortalität während der Ferkelaufzucht etwa 2%. Jetzt stiegen die Verluste nach dem Absetzen auf 4% und bei einigen Ställen sogar auf 9% an. Dieses Problem bestand für ungefähr 13 Monate. Fast alle Verluste waren in diesem Fall auf die exsudative Dermatitis zurückzuführen.

Akute, generalisierte exsudative Dermatitis

Foto 2. Akute, generalisierte exsudative Dermatitis

Diagnostik

Zunächst lieferten die Tupferproben von klinisch erkrankten Schweinen nur den Befund eines hochgradigen Befalls mit St. hyicus. Später wurde in einigen Tufperproben auch Staphylococcus chromogenes nachgewiesen. Dieser Erreger ist genetisch sehr ähnlich wie St. hyicus und ist ebenfalls fähig, exfoliative Toxine zu bilden. Eine durchgeführte Resistenzbestimmung dieses Bakteriums zeigte eine Resistenz gegen Penicillin, wohingegen es auf Trimethoprim/Sulfonamid und Tiamulin sensitiv reagierte. Die gefundene Resistenz gegen Penicillin stimmt mit den neuesten Forschungsergebnissen überein, die gezeigt haben, dass eine Penicillinresistenz bei den St. hyicus-Isolaten in Ontario verbreitet war (Abbildung 1). Mit weiterführenden Untersuchungen an der Universität von Guelph konnte außerdem eine Zinkresistenz bei diesem bestimmten Isolat nachgewiesen werden. Um andere Krankheiten ausschließen zu können, die evtl. eine Wegbereiterfunktion haben könnten bzw. zu einer Verschlimmerung des Problems führten, wurden weitere Sektionen und diagnostische Untersuchungen durchgeführt. Diese lieferten aber keine Hinweise auf andere beteiligte Krankheitsprozesse.

Antibiotikaresistenz von St. hyicus und St. aureus in Prozent

Abbildung 1. Antibiotikaresistenz von St. hyicus und St. aureus in Prozent

Maßnahmen

Bei der exsudativen Dermatitis handelt es sich klassisch um eine multifaktorielle Erkrankung. Obwohl gelegentlich die Feststellung und Korrektur eines einzigen Faktors schon zu positiven Ergebnissen führen kann, lag der Fokus in diesem Fall sowohl auf der Stärkung der passiv zugeführten, maternalen Immunität als auch auf einer funktionierenden lokalen Immunbarriere der intakten Haut. Außerdem schien es von großer Bedeutung, den Erregerdruck im Bestand zu senken.

Eine Untersuchung der Futterzusammensetzung und Futtermenge pro Schwein zeigte keine Probleme im Fütterungsplan auf. Dennoch wurde besondere Aufmerksamkeit darauf gelegt, dass die errechnete Futtermenge für die Schweine während jeder Wachstumsphase korrekt verteilt wurde. Das Futter wurde frisch bereitgestellt und war schmackhaft. Außerdem wurden alle verfügbaren Futterplätze genutzt, um das Tier-Fressplatz-Verhältnis zu verbessern und damit die Kämpfe um den Zugang zum Futter zu minimieren. Nachdem die Zinkresistenz nachgewiesen wurde, wurde der Zusatz von Zink zur Futterration wieder eingestellt.

Normalerweise wurden in den Aufzuchtabteilen die Trennwände zwischen den Buchten entfernt, damit sich die abgesetzten Ferkel in großen Gruppen mit so vielen vorhandenen Erregern wie möglich auseinander setzen und somit eine Immunität aufbauen konnten. Diese Erreger schließen unter anderem Streptococcus suis, Haemophilus parasuis und Actinobacillus suis ein. Jetzt wurden allerdings die Trennwände zwischen die Buchten eingesetzt, um die Ausbreitung der exsudativen Dermatitis einzugrenzen. Die Buchten wurden deshalb für vier Wochen geschlossen gehalten. Erst danach wurden die Ferkel wieder in größeren Gruppen zusammen gehalten. Nach dieser Zeitperiode von vier Wochen konnten nur noch wenige neue Fälle von Ferkelruß beobachtet werden.

Der Zusammenhang der vorhandenen Eckzähne der Saugferkel mit den Hautwunden und -kratzern durch Rangkämpfe wurde kontrovers diskutiert. Die Betriebsleiter in der Aufzucht waren der Meinung, ein Schleifen der Zähne sei notwendig, um das Problem in den Griff zu bekommen. Daraufhin wurden versuchsweise bei einigen Ferkelgruppen die Zähne abgeschliffen. Allerdings führte diese Maßnahme zumindest in diesem Fall zu keiner Reduzierung des Ausmaßes der exsudativen Dermatitis. Deshalb wurde das Schleifen der Zähne wieder eingestellt.

Des Weiteren wurde die Flussrate der Tränken untersucht. Einige Nippeltränken funktionierten nicht ordnungsgemäß und wurden deshalb repariert bzw. ausgetauscht. Die Flussrate wurde auf mindestens 0,5 Liter / Minute eingestellt. Das Ziel bestand darin, durch eine angemessene Flussrate und Anzahl an Tränken ein Spielen und damit Anfeuchten der Haut zu verhindern und die Aggressivität der Tiere im Bereich der Wassernippel zu senken.

Das Ziel für die relative Luftfeuchtigkeit im Herbst, Winter und Frühling wurde auf 70% gesetzt. Um eine minimale Lüftungsrate zu erhalten, wurde zusätzlich geheizt. Die Einstalltemperatur betrug 28°C. Die Dämmung des Dachbodens wurde überprüft. Alle Schweine wurden trocken und zugfrei gehalten.

Die Besatzdichte in den einzelnen Buchten wurde zu Beginn bewusst um 10% überschritten, um eine gesonderte Krankenbucht zur Verfügung stellen zu können. Somit konnten klinisch erkrankte Schweine mit rötlich entzündeter Haut sofort aus den jeweiligen Buchten entfernt und in die Krankenbucht eingestallt werden, was die Ausbreitung der Erkrankung begrenzte. Nach dem Ende der Aufzuchtperiode wurde die komplette Gruppe aus dem Abteil ausgestallt und alle Schweine gleichzeitig zum Maststandort transportiert (konsequentes All-out-Prinzip). Es wurden keine evtl. noch zu kleinen Tiere für eine verlängerte Aufzucht zurückgehalten.

Die Reinigung wurde auch untersucht. Nach dem Ausstallen der Tiere wurde das Abteil sofort eingeweicht und am nächsten Tag gründlich gereinigt. Dazu wurde ein alkalischer Reiniger benutzt, um die Flächen zu entfetten und Biofilme zu entfernen. Saure Reinigungsmittel wurden zur Beseitigung von Mineralien verwendet. Die Dosiergeräte wurden überprüft und kalibriert. Verschiedene Desinfektionsmittel wurden ausprobiert, allerdings schien keines besser zu sein als die anderen. Bevor die nächsten Tiere wieder eingestallt wurden, wurde eine Trocknungszeit von mindestens 24 Stunden eingehalten.

Betroffene Tiere wurden individuell mit einem Trimethoprim/Sulfonamid Injektionspräparat für vier Tage behandelt. Zusätzlich wurde eine metaphylaktische Gruppenbehandlung über das Trinkwasser mit Trimethoprim/Sulfonamid in den ersten drei Wochen durchgeführt. Danach wurde für weitere drei Wochen die Antibiotikagabe im sog. Puls-Programm weitergeführt, d.h. es wurde immer abwechselnd drei Tage behandelt und dann vier Tage nicht. Schließlich wurde die Medikation eingestellt und nur noch bei Bedarf behandelt.

Dem Starterfutter wurde ab jetzt Chlortetracyclin (110 ppm), Sulfamethazin (110 ppm) und Procain-Penicillin (55 ppm) zugesetzt. Zum Ende der Mast enthielt das Futter noch einen Zusatz mit Procain-Penicillin (110 ppm). Ansonsten wurden keine weiteren Fütterungsarzneimittel verwendet.

Präventiv wurde zusätzlich alle vier Tage ein Oberflächenspray bestehend aus Mineralöl und Trimethoprim/Sulfonamid versprüht. Diese Maßnahme wurde bei den ersten Anzeichen eines Anstiegs an neuen klinischen Fällen noch intensiviert. So wurde z.B. bei einem Abteil mit 500 Tieren beim Auftreten von drei neuen Fällen am Morgen und drei weiteren am Abend das Spray nochmals eingesetzt.

Bereits vor dem klinischen Ausbruch erhielten die Sauen eine Mutterschutzimpfung mit einem bestandsspezifischen Impfstoff auf Basis eines St. hyicus Isolates, welcher auf dem Betrieb isoliert wurde. Das Ziel war dabei, durch die Impfung vor dem errechneten Abferkeltermin die kolostrale, passive Immunität bei den Ferkeln zu steigern. Jetzt wurden auch noch die aus der Ferkelaufzucht isolierten St. hyicus und St. chromogenes Stämme zu dem bestandsspezifischen Impfstoff hinzugefügt. Allerdings konnte keine sofortige Verbesserung bei den Ferkeln von immunisierten Sauen beobachtet werden. Dennoch wird der bestandsspezifische Impfstoff weiterhin eingesetzt. Die Jungsauen werden zweimal vor der Abferkelung geimpft und die Altsauen erhalten eine einmalige Booster-Impfung vor der jeweiligen Abferkelung.

Diskussion

Die Krankheitssituation in der Ferkelaufzucht beruhigte sich und erreichte wieder Normalwerte. Allerdings konnte dieser Status nur durch umfangreiche Maßnahmen erreicht werden, die weit über das sonst übliche Management hinausgingen. Die schweren klinischen Symptome waren zunächst nur auf eines der beiden Aufzuchtstandorte begrenzt. Tier- und Menschenbewegungen könnten das Ausbreiten auf den zweiten Standort erklären. Es gab nie einen Hinweis darauf, dass die "problematischen" Erregerstämme auch in die Sauenbestände eingeschleppt wurden. Wenn diese Isolate somit nicht innerhalb der Sauenpopulation vorkamen, konnten mit der Milch auch keine kolostralen Antikörper auf die Ferkel übertragen werden. Theoretisch könnte eine vollständige Depopulation und Repopulation der kontinuierlich belegten Aufzuchtstandorte die "problematischen" Isolate eliminieren. Schlussfolgernd könnte man sagen, dass sich das Problem mit dem Ferkelruß vor allem dadurch in die Länge zog, weil die bestimmten Bakterienstämme bei den Sauenherden nicht vorkamen.

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