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Klinischer Fall: Reproduktionsstörungen in einem neuen Sauenbestand

Der Tierarzt wurde zu einem neu gegründeten Kombibetrieb gerufen, als die Jungsauen aus den ersten beiden Lieferpartien klinisch auffällig waren.

Einleitung

Im Juni 2009 wurden wir zu einem in der Bretagne neu gegründeten Kombibetrieb (Zuchtbestand mit angeschlossener Mast) gerufen. Zu diesem Zeitpunkt (ca. 3 Wochen vor der dritten Sauenlieferung) traten bei den neu eingegliederten Jungsauen aus den ersten beiden Lieferpartien folgende klinischen Symptome auf:

  • Fieber (Temperaturen über 40,5°C)
  • Fressunlust (Anorexie)
  • relativ geringe Fruchtbarkeitsrate (86% bei den ersten beiden besamten Jungsauengruppen, was unter den Erwartungen des Produzenten lag)

Sauenbetrieb

Der Betrieb

Es handelt sich um einen Kombibetrieb mit 560 Sauen in der Bretagne, einer Gegend Frankreichs mit sehr hoher Schweinedichte. Im Januar 2009 wurde mit dem Bezug der Sauen begonnen. Die Jungsauen wurden in vier aufeinanderfolgenden Partien von F1- und/oder Vermehrungs-Tieren (5. Januar, 9. Februar, 23. März und 3. Mai 2009) angeliefert. Bei jeder Ankunft wurden von etwa 20 bis 30 Jungsauen Blutproben gezogen. Das Serum wurde für mögliche Untersuchungen zunächst eingefroren.

Der Sauenbestand ist in 10 Produktionsgruppen aufgeteilt. Die Ferkel werden mit 21 Tagen abgesetzt.

Für die künstliche Besamung wird Sperma kommerziell zugekauft.

Der Betriebsleiter ist sehr konsequent bei der Umsetzung von Biosecurity-Maßnahmen sowohl innerhalb des Betriebes als auch außerhalb.

Die F1- und Vermehrungs-Sauen stammen von zwei verschiedenen Nukleusbetrieben. In Zukunft soll auf dem Betrieb eine Eigenremontierung stattfinden.

Der Gesundheitsstatus der beiden Nukleusbetriebe ist folgender:

  • PRRSV: negativ
  • Actinobacillus pleuropneumoniae: negativ für alle Serotypen
  • Aujeszky’sche Krankheit: negativ
  • Mycoplasma hyopneumoniae: negativ
  • SIV (H1N1, H1N2 und H3N2): negativ
  • PCV2: unbekannter Status

Die Jungsauen werden bei Anlieferung gegen Parvovirus, Rotlauf und Schweine-Influenza (H1N1 und H3N2) geimpft.

Während der Quarantäne erhalten die Jungsauen eine Räudebehandlung mit Ivermectin.

Erste Betriebsanalyse und Untersuchungen

Im Juni 2009, etwa 3 bis 4 Wochen nach den ersten klinischen Symptomen (Fieber und Fressunlust) wurden von 10 kranken Jungsauen Blutproben gezogen.

Die Untersuchungen auf PRRSV, Influenza (IHA), Mycoplasma hyopneumoniae und Leptospirose (MAT) lieferten durchweg negative Ergebnisse.

Die Leistungen der ersten Abferkelungen waren nicht zufriedenstellend:

lebend geborene/Sau % Totgeburten % Mumien abgesetzte/Sau
Gruppe 1 11,67 2,8 % 2,5 % 9,94
Gruppe 2 9,94 3,3 % 7,9 % 9,24
Gruppe 3 10,23 2,7 % 13,0 % 9,51

Zusätzlich durchgeführte serologische Untersuchungen an weiteren 25 Sauen bestätigten den negativen Status hinsichtlich Parvovirus (PPV), Leptospiren und PRRSV.

11 mumifizierte Ferkel aus 3 verschiedenen Würfen wurden zur weiteren Untersuchung an ein Diagnostiklabor geschickt. Dort wurden die Ferkel wurfweise gepoolt mittels PCR getestet:

  • PRRSV: alle Ergebnisse negativ
  • PPV: alle Ergebnisse negativ
  • PCV2: positive Ergebnisse bei der PCR Untersuchung an Herzgewebe und Lebergewebe mit Werten von 4,2*109 bis 8*1011 Kopien/g Herzgewebe und 3,6*1010 bis 1,8*1013 Kopien/g Lebergewebe.

Bei der histologischen Untersuchung des Herzmuskelgewebes konnten geringgradige Veränderungen mit mononukleären Zellinfiltraten beobachtet werden. Zusätzlich konnte mittels IHC PCV2-Antigen in diesen Läsionen nachgewiesen werden.

Die gefundenen Ergebnisse deuten auf eine Beteiligung von PCV2 bei der Krankheitsursache hin.

Abferkelabteil

PCV2 - serologische Untersuchung

Folglich wurde der serologische Status der Jungsauen überwacht, um eine mögliche Serokonversion zwischen Ankunft in die Quarantäne und Auftreten der klinischen Symptome zu erkennen.

Dazu wurden an zwei Zeitpunkten Blutproben gezogen:

  • Am Tag der Ankunft in die Quarantäne (BP1): von 110 zufällig ausgewählten Jungsauen aus den 4 Lieferpartien
  • Nach Krankheitsausbruch (BP2): 45 der Jungsauen wurden erneut beprobt; diese Jungsauen wurden zufällig anhand ihres Gesundheitszustands nach dem Krankheitsausbruch ausgewählt.

Das Vorkommen von PCV2-Antikörpern wurde bestimmt und der durchschnittliche PCV2-Antikörpertiter entsprechend der Gruppe und des Herkunftbetriebes miteinander verglichen. Dabei wurden der Student’s T-Test und der Kruskal-Wallis Test mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 0,05 (p<0,05) verwendet.

Für beide Zeitpunkte (Ankunft in die Quarantäne und nach Krankheitsausbruch) waren nur für 45 Jungsauen Daten verfügbar. Deshalb konnte eine Serokonversion auch nur an diesen Tieren untersucht werden. Die PCV2-Antikörpertiter und der Unterschied zwischen der ersten und zweiten Probenentnahme ist in Tabelle 1 dargestellt.

Tabelle 1. Entwicklung der PCV2-Antikörpertiter (log10) und Standardabweichung (σ) bei Ankunft in die Quarantäne (BP1) und nach Krankheitsausbruch (BP2)

Ankunft in Quarantäne (BP1) Nach Krankheitsausbruch (BP2) Delta zwischen BP1 und BP2
n Mittel ± σ Median n Mittel ± σ Median Mittel ± σ Median
Lieferung 1 22 0,19 ±0,318 0,000 22 3,10 ±0,543 3,04 3,10 ±0,543 3,04
Lieferung 3 23 3,16 ±0,49 3,31 23 3,33 ±0,56 3,54 1,90 ±1,64 2,19

Alle Jungsauen aus der ersten Lieferpartie "serokonvertierten". Bei der dritten Lieferung zeigten 61,6% der F1-Jungsauen und 60% der Vermehrungs-Jungsauen eine Serokonversion.

Daraus können wir schlussfolgern, dass naive Jungsauen in den Bestand eingegliedert wurden und dass diese Jungsauen nach Kontakt mit PCV2 zwischen Ankunft in die Quarantäne und Ende der Trächtigkeit klinische Symptome entwickelten.

Uns interessierte außerdem der PCV2-Antikörperstatus der Jungsauen bei Ankunft in die Quarantäne (Ergebnisse dargestellt in Tabelle 2).

Bei den Jungsauen aus der ersten Partie konnten keine PCV2-Antikörper zum Anlieferungszeitpunkt nachgewiesen werden. Diese Jungsauen stammten alle aus dem Nukleusbetrieb, der die F1-Jungsauen produzierte.

Interessanterweise wurden einige Jungsauen, die von demselben Nukleusbetrieb kamen, aber später eingegliedert wurden (Lieferung 2, 3 und 4), positiv getestet (davon hatten 100% Titer über 1,3 log10 und 38,8 % Titer über 3 log10).

Des Weiteren wurden Unterschiede im PCV2-Status zwischen den drei Lieferpartien beobachtet: So lag der Durchschnittstiter der 3. Partie bei den F1-Jungsauen signifikant (p=0,001) über dem der 2. und 4. Lieferung und auch bei den Vermehrungstieren wurden höhere Durchschnittstiter beobachtet (p=0,107).

Bei allen drei Lieferpartien (2, 3 und 4) konnten keine Unterschiede beim serologischen PCV2-Status zwischen den F1- und Vermehrungstieren beobachten werden.

Tabelle 2. Mittlere PCV2-Titer (log10) bei Ankunft in die Quarantäne nach Lieferpartie und nach F1- bzw. Vermehrungstieren.

Herkunft F1 (BP1) GP (BP1) Gesamt
n Mittel ± σ Median n Mittel ± σ Median n Mittel ± Wert Median
Lieferung 1 30 0,24 ±0,36 0,00 0 - - 30 0,24 ±0,36 0,00
Lieferung 2 20 2,54 ±0,49 2,56 10 2,69 ±0,29 2,64 30 2,69 ±0,44 2,57
Lieferung 3 19 3,21 ±0,45 3,26 10 3,09 ±0,49 3,13 29 3,17 ±0,46 3,26
Lieferung 4 10 2,46 ±0,77 2,61 5 2,97 ±0,45 2,72 15 2,62 ±0,708 2,64
Gesamt 79 1,82 ±1,36 2,44 25 2,91 ±0,44 2,72 104 2,83 ±0,574 2,72

Schlussfolgerung

Zunächst einmal halten wir fest, dass trotz des ubiquitären Vorkommens von PCV2 einige Schweine aus Beständen mit sehr hohem Gesundheitsstatus mit 6 Monaten immer noch naiv gegenüber diesem Erreger sein können und daher keine Antikörper gebildet haben. Des Weiteren zeigt unser Fall, dass eine große Variabilität des serologischen PCV2-Status bei den Jungsauen zum Zeitpunkt der Ankunft auf dem Zielbetrieb bestehen kann: eine Lieferpartie war negativ, während die Schweine aus den drei darauffolgenden Partien mit unterschiedlichen Titerhöhen positiv getestet wurden. Daraus kann man ableiten, dass die serologischen PCV2-Ergebnisse einer Jungsauengruppe keine Schlüsse auf den Serologie-Status folgender Lieferpartien zulassen.

Sauen

Eingeleitete Maßnahmen (Impfstrategie)

Im Juli 2009 wurde die PCV2-Impfung eingeführt: Der Produktionsleiter ließ den gesamten Bestand zweimal im Abstand von 4 Wochen gegen PCV2 impfen.

Sauengruppen mit "erhöhtem Risiko" (kurz vor der KB und kurz vor der Abferkelung) wurden 2-4 Wochen später geimpft.

Danach fand eine Boosterimpfung immer 3-4 Wochen vor der Abferkelung statt.

Die Zahl an Mumien fiel bis September 2009 auf ein vertretbares Niveau (0,51 / Sau) und auch die Anzahl an Totgeburten lag im Normalbereich.

Die Fruchtbarkeitsrate wurde als gut bewertet.

März 09 bis Mai 09 Sept 09 bis Dez 09
gesamt geborene Ferkel / Sau 11.83 12.46
Mumien / Sau 1.34 0.23
Totgeburten / Sau 0.32 0.35
abgesetzte Ferkel / Sau 9.42 11.4
Fruchtbarkeitsrate 86% 88%

Diskussion

Der Einfluss von PCV2 auf Reproduktionsstörungen konnte sowohl durch Labor- als auch durch Feldstudien gezeigt werden. In den meisten Fällen sind dabei naive Jungsauen betroffen.

Der vorliegende klinische Fall belegt, dass eine Infektion mit PCV2 bei Jungsauen aus Herkunftsbetrieben mit hohem Gesundheitsstatus zu klinischen Symptomen und Reproduktionsstörungen führen kann.

Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die große Variabilität des serologischen PCV2-Status bei den Jungsauen, als sie in den neuen Betrieb eingegliedert wurden.

Die Diagnosefindung bei Reproduktionsstörungen bleibt nach wie vor schwierig und kostspielig. Dennoch sollten alle Differentialdiagnosen bedacht und ggf. untersucht werden. Der Einfluss von PCV2 auf die Leistungen von Jungsauen und erstgebärenden Sauen sollte nicht unterschätzt werden. Auf dem vorgestellten Betrieb wurden in der Vergangenheit nie klinische Fälle oder Hinweise auf PMWS beobachtet, auch nicht bei den Ferkeln, die von Sauen mit Reproduktionsstörungen geboren wurden.

Eine zweimalige Impfung des gesamten Bestandes im Abstand von 4 Wochen, gefolgt von einer Boosterung 3-4 Wochen vor der Abferkelung, stellt eine wirkungsvolle Bekämpfungs- und Präventionsmaßnahme dar. Die Impfung wird auch heute noch auf dem Betrieb durchgeführt und der allgemeine Gesundheitszustand der Schweine kann als hoch bezeichnet werden.

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