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Klinischer Fall: Ödemkrankheit

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Diese Fallstudie beschreibt einen Ausbruch in einem Betrieb, in dem sich die Bekämpfung der Krankheit ohne Impfung als schwierig erwies. Seit 2014 wurde in Europa von einer zunehmenden Anzahl von Fällen der Ödemkrankheit berichtet, obwohl noch nicht klar ist, warum diese Krankheit wieder aufgetreten ist.

Die Ödemkrankheit ist ein akutes Leiden, das die abgesetzten Ferkel betrifft und eine schwere Nervenkrankheit mit hoher Sterblichkeitsrate darstellt.

In den 1960er und 70er Jahren stellte sie in Europa, insbesondere in Großbritannien, eine sehr häufige Erkrankung dar. In der Regel war sie bei Schweinen zwischen einer und 2 Wochen nach dem Absetzen eine häufige Todesursache. Zu jener Zeit wurden viele Schweine erst im Alter von 5 Wochen abgesetzt.

Als in den späten 1970er Jahren das frühere Absetzen mit einer besseren Unterbringung kombiniert und eine Ernährung insbesondere für die Ferkel entwickelt wurde, die einen hohen Anteil an Magermilch enthielt, verschwand die Krankheit weitgehend.

Die Erfahrungen des Autors mit dieser Krankheit zwischen 1981 und 2015, als er in Großbritannien ganztägig in der Schweineindustrie arbeitete, allerdings auch im Ausland tätig war, waren begrenzt. Die Krankheit wurde in 3 Fällen vorgefunden:

  • Bei zwei Kleinbauern, die die Ferkel im Alter von 5 Wochen absetzten und deren Hygienebedingungen schlecht waren. In beiden Fällen waren die Probleme von kurzer Dauer.
  • Ein einziger größerer landwirtschaftlicher Betrieb verzeichnete in den 1990er Jahren 4 Wochen lang Verluste aufgrund der Ödemkrankheit. Seither wurde die Krankheit nicht mehr festgestellt.

Seit 2014 wurde in Großbritannien, Irland und in Kontinentaleuropa jedoch von einer zunehmenden Anzahl von Fällen der Ödemkrankheit berichtet, obwohl noch nicht klar ist, warum sie wieder aufgetreten ist. Diese Fallstudie beschreibt einen Ausbruch in einem Betrieb, der zu einer Unternehmensgruppe gehörte und in dem sich die Bekämpfung der Krankheit ohne Impfung als schwierig erwies.

 

Geschichte des Betriebs

Die betroffene Produktionsstätte war ein Zucht-/Maststall, der von einem einzigen Zuchtbetrieb mit 725 Sauen in Stallhaltung beliefert wurde, in dem jede Woche Ferkel geboren wurden.

Pro Woche wurden ca. 360 Schweine im Alter von durchschnittlich 29 Tagen nach dem Absetzen in einem der 8 Flatdeck-Ställe der ersten Phase gebracht, zu denen jeweils 6 Buchten gehörten.

Der Gesundheitsstatus der Partien war normal. Überall wurde PRRS, PCV2 und Enzootische Pneumonie festgestellt. Die Sauen wurden routinemäßig gegen Erysipel und E. coli geimpft. Die Ferkel erhielten im Alter von 3 Wochen eine PCV2-Impfung.

Im Alter von 7½ Wochen nach dem Absetzen wurden die Ställe geräumt, gewaschen und desinfiziert. Die Schweine wurden im wöchentlichen Wechsel in die Mastställe der zweiten Phase oder an einen externen Ort gebracht. Zu diesem Zeitpunkt hatten sie ein Lebendgewicht von ca. 35kg.

Der Betrieb (A1 in Abb. 1) war Teil einer Gruppe, die Remontetiere von einem Zuchtbetrieb erhielt, der diese Jungsauen an insgesamt 5 verschiedene Betriebe lieferte. Die Ödemkrankheit war zuvor in 2 dieser Betriebe (A2 und A3) und danach in einem anderen Betrieb (A4) aufgetreten. Im letzten Betrieb, der die Tiere aufnahm, und dem Zuchtbetrieb, in dem sich die Elterntiere befanden, wurde keine Krankheit festgestellt. Ebenso traten in der zweiten Hälfte der Unternehmenspyramide (B) keine Erkrankungen auf und auch im Kernbetrieb, der seine Tiere an beide Zuchtbetriebe lieferte, wurde keine Ödemkrankheit festgestellt.

Abb. 1: Firmenstruktur – In allen rot markierten Betrieben ist im Juni 2015 die klinische Ödemkrankheit aufgetreten.

Abb. 1: Firmenstruktur – In allen rot markierten Betrieben ist im Juni 2015 die klinische Ödemkrankheit aufgetreten.

Die Unterbringung in der Aufzuchtstation erfolgte auf zweierlei Weise:

  1. In 4 „alten” Ställen, die teilweise mit Spaltenboden versehen, mit schlecht überwachten Heizkissen ausgestattet und anfällig für schwerwiegende hygienische Probleme waren, die oft mit Scheuerstellen und Hautkrankheiten einhergingen (Ferkelruß, Ohrrandnekrose).
  2. In 4 „neuen” Ställen, die überall mit Spaltenboden versehen waren, mit guter Überwachung der Stallbedingungen.

Beim Absetzen erhielten alle Schweine 11 bis 13 Tage lang 2500ppm Zink (als 3,1 kg/TM Zinkoxid) im Starterfutter zusammen mit einem Zusatzstoff auf Benzoesäurebasis. Anschließend wurden die Schweine in den „alten” Ställen 28 Tage lang mit 2 kg/TM Lincomycin-Spectinomycin behandelt. Die Schweine in den „neuen” Ställen erhielten abgesehen vom Starterfutter keine weiteren Medikamente.

Die Mortalitätsrate der Schweine vom Absetzen bis zum Alter von 11½ Wochen lag 2015 immer unter 2%.

 

Das klinische Problem

Mitte März 2016 berichtete der Betrieb von einer Nervenkrankheit, die bei Schweinen auftrat, die ca. 16 Tage zuvor abgesetzt worden waren und alle starben. In einer Woche starben 10 Schweine und anschließend jeweils 5 in den folgenden 2 Wochen.

In der zweiten dieser drei Wochen erfolgte die klinische Untersuchung und Prüfung. Der Leiter des Betriebs erkannte Ähnlichkeiten mit Fällen, die einige Monate zuvor im Betrieb A3 beobachtet worden waren.

 

Bei der eingehenden Befragung des Betriebsleiters wurde Folgendes festgestellt:

  1. Es gab nichts Außergewöhnliches bezüglich des Alters oder des Gewichts der abgesetzten Gruppen, bei denen die Probleme beobachtet worden waren.
  2. Der Appetit der abgesetzten Tiere war gut und die Schweine hatten sich normal auf das Übergangsfutter/ die Ration für die abgesetzten Ferkel umgestellt.
  3. Die 2 betroffenen Gruppen (und die Gruppen der folgenden Wochen) wurden in den „alten” Ställen untergebracht und erhielten daher mit dem Futter zum Zeitpunkt ihres Todes Lincomycin-Spectinomycin.
  4. Alle akuten Todesfälle ereigneten sich 15 bis 18 Tage nach dem Absetzen und ca. 4 bis 7 Tage, nachdem man aufgehört hatte, das mit Zinkoxid versetzte Starterfutter zu verfüttern.
  5. Alle Schweine, die gestorben waren, befanden sich in einem guten Zustand. Einige Tiere wurden tot aufgefunden, andere lagen im Sterben. Kein Schwein hatte auf Injektionen von LA Amoxicillin reagiert.

Die Sektion von 2 betroffenen, gerade verendeten Schweinen zeigte Folgendes:

1. Schwellung der Augen und über dem Schädel (Abb. 2).

Abbildung 2: Geschwollene Augen bei einem betroffenen Schwein

Abbildung 2: Geschwollene Augen bei einem betroffenen Schwein

2. Subkutanes Ödem am Schädel (Abb. 3).

Abbildung 3: Subkutanes Ödem

Abbildung 3: Subkutanes Ödem

3. Großflächige Ödeme im Mesenterium des aufsteigenden Kolons (Abb. 4).

Abbildung 4: Ödeme im Mesenterium des aufsteigenden Kolons

Abbildung 4: Ödeme im Mesenterium des aufsteigenden Kolons

4. Im Omentum majus des Magens war kein Ödem zu erkennen.

5. Das Gehirn war beim Entfernen des Schädels sichtbar „feucht” (Abb. 5).

Abbildung 5: Ein sichtbar nasses Gehirn

Abbildung 5: Ein sichtbar nasses Gehirn

Laboruntersuchungen zeigten die folgenden wichtigen Befunde:

  1. Isolierung von E. coli 0139 K82 (E4) in Reinkultur aus dem Darm eines Schweins und in Mischkultur vom anderen Schwein.
  2. Die E. coli Virulenzfaktoren F18 (gefüttert A) und STx2 (A Untereinheit) wurden durch das Virulenzgen Multiplex-PCR identifiziert.
  3. Die histopathologische Untersuchung des Gehirns bestätigte ein perivaskuläres Ödem.

Somit wurde die Diagnose der Ödemkrankheit bestätigt. (Das Sensitivitätsmuster des E4 E. coli ist in Abb. 6 zu sehen.)

Abbildung 6: Sensitivtätstests des E. coli E 4 Isolats

Antimikrobiotikum

Inhalt der Nährbodenplatte

Ergebnis Antimikrobiotikum Inhalt der Nährbodenplatte Ergebnis
Apramycin 15µg S

 Trimethoprim/ Sulfamethoxazol 

25µg R
Spectinomycin 25µg R Ampicillin 10µg R
Neomycin 10µg S Florfenicol 30µg S
Streptomycin 10µg R Colistinsulfat 10µg S
Amoxicillin / Clavulansäure 30µg S Enrofloxacin 5µg S
Cefpodoxim 10µg S Doxycyclin 30µg R
Ceftiofur 30µg S Tetracyclin 10µg R
Lincomycin / Spectinomycin 109µg R      

 

Erste Maßnahmen

Nach der Sektion der Tiere des Betriebs und vor Bekanntwerden der Testergebnisse hatte man dazu geraten, einige Einzelfälle mit Trimethoprim/Sulfamethoxazol zu behandeln, aber es wurden keine unmittelbaren Maßnahmen ergriffen. Der Betrieb hatte nicht die Möglichkeit den Schweinen Arzneimittel über das Trinkwasser zu verabreichen und man beschloss deshalb, einfach abzuwarten und zu sehen, was passieren würde.

 

Verlaufskontrolle

Die klinischen Fälle und Todesfälle gingen zurück, so dass 18 Wochen lang keine weiteren Fälle mit Verdacht auf die Ödemkrankheit festgestellt wurden, was die anfängliche Entscheidung keine Sofortmaßnahmen zu ergreifen rechtfertigte.

Die Erkrankungen kehrten jedoch auf einem höheren Niveau zurück, so dass eine am 04.08.2016 abgesetzte Gruppe wieder ca. 16 Tage nach dem Absetzen in einem der „alten” Ställe 26 Schweine verlor.

Auf der Grundlage vorheriger Diagnoseergebnisse beschloss man, die Medikamention des Futters umzustellen und Apramycin zu verabreichen, da die Medikamention über das Wasser immer noch nicht durchführbar war. Die Auswirkungen dieser Umstellung zeigten sich fast unmittelbar und waren alarmierend. Die Todesfälle traten nicht mehr nach 16 Tagen, sondern später, in größerer Zahl und zum ersten Mal in den saubereren „neuen” Ställen auf (s. Abb. 7).

Nach einigen Wochen mit hohen Verlusten, in denen es nicht gelang das Problem unter Kontrolle zu bekommen beschloss man, die Ferkel im Zuchtbetrieb, in dem sich die Elterntiere befanden, mit einem Stx2e-Toxoid-Impfstoff zu impfen. Allen Ferkeln wurde damals vor Ort eine einzige 1ml-Impfung verabreicht, so dass alle wöchentlichen Gruppen von Tieren, die 4, 3, 2 und 1 Woche alt waren, geimpft waren. Danach wurden alle Schweine am Tag 4 geimpft. In dem 12-wöchigen problematischen Zeitraum lag die durchschnittliche Mortalität der Absetzferkel bis zu den 11½ Wochen alten Tieren bei 6,25%, wobei der Höchstwert 16% betrug. Man ging davon aus, dass eine „normale” Mortalität bei 1,5% liegen würde und die meisten zusätzlichen Todesfälle auf die Ödemkrankheit zurückzuführen waren. Ein Teil der Todesfälle wurde jedoch als kümmernde Ferkel beschrieben, was möglicherweise auf eine chronische Manifestation der Ödemkrankheit oder das multisystemische Kümmerwuchssyndrom der Absetzferkel (PMWS) mit PCV2-Impfung aufgrund der Ödemkrankheit zurückzuführen ist. Die Verabreichung von Apramycin über das Futter wurde sofort eingestellt und der Betrieb kehrte daraufhin zur früheren Behandlung mit Lincomycin-Spectinomycin in den „alten“ Ställen zurück. In den „neuen” Ställen verabreichte man außerhalb der 12 bis 14 Tage nach dem Absetzen nichts. Das Starterfutter enthielt weiterhin Zinkoxid und organische Säure.

Seit man mit der Impfung begann, einschließlich der Impfungen beim Absetzen, lag die durchschnittliche Mortalität bei 1% und eine klinische Ödemkrankheit wurde nicht beobachtet.

Abb. 7: Wöchentliche Mortalität bei den Problemen mit der Ödemkrankheit; 1 = erste Anzeichen, die nach 3-4 Wochen abklangen; 2 = Erneutes Auftreten der Krankheit in viel höherem Ausmaß; 3 = Erste Woche mit geimpften Schweinen.

Abb. 7: Wöchentliche Mortalität bei den Problemen mit der Ödemkrankheit; 1 = erste Anzeichen, die nach 3-4 Wochen abklangen; 2 = Erneutes Auftreten der Krankheit in viel höherem Ausmaß; 3 = Erste Woche mit geimpften Schweinen.

 

Diskussion

Dieser Fall warf eine Reihe von Fragen auf.

  1. Warum ist die Ödemkrankheit wieder als großes Problem aufgetreten, das sich laut Berichten seit 2015 immer stärker ausbreitet? Wir wissen es nicht.
  2. Warum wurde die Krankheit nur auf einer Seite der Unternehmenspyramide festgestellt, aber nicht im Zuchtbetrieb, der Tiere an andere Ställe liefert? Die Gründe hierfür sind uns nicht bekannt.
  3. Warum betrifft die Krankheit Schweine später als die klassischen Fallbeschreibungen? Dies könnte auf die folgenden Ursachen zurückzuführen sein:
  1. Ein früheres Absetzen als in den 1960er und 70er Jahren. Die Schweine sterben immer noch im Alter von ca. 6 bis 7 Wochen.
  2. Die Wirkungen von Zinkoxid +/- organischen Säuren. Die Krankheit trat nach dem Absetzen dieser Zusatzstoffe auf. Erfahrungen andernorts deuten darauf hin, dass die Verlängerung der Zeit, in der Zinkoxid verabreicht wird (off licence), und/oder die Ausdehnung des Einsatzes von organischen Säuren über das Futter oder Wasser die Krankheit verdrängen können. Wie dieser Fall zeigt, kann die Krankheit jedoch von selbst abklingen, um danach wieder aufzuflammen.
  1. Warum verzögerte die Behandlung mit Apramycin die Erkrankungen und verschlimmerte deren Ausmaß? Wir wissen, dass einige E.coli-Stämme, insbesondere 0157 beim Menschen, auf die Unterbrechung ihrer Nukleinsäure oder oxidativen Stress durch die Phagen reagieren, was dazu führt, dass die Bakterien die Bildung von Toxinen massiv hochfahren. Trotz der Sensitivitätstests und der bakteriziden Wirkung von Aminoglykosiden kann nur vermutet werden, dass dies im vorliegenden Fall möglicherweise passiert ist.
  2. Arbeitskollegen haben von ähnlichen Erfahrungen mit anderen Aminoglykosiden berichtet.

Schlussfolgerung

Die Ödemkrankheit ist derzeit eine häufig auftretende Erkrankung des zentralen Nervensystems nach dem Absetzen, die von Meningitis zu unterscheiden ist. Der Behandlungserfolg ist enttäuschend und es hat sich als schwierig erwiesen, die Krankheit mit Antibiotika zu bekämpfen. Die Impfung mit einem Shiga- (oder Vero-Toxin) basierten Impfstoff ist sowohl klinisch als auch wirtschaftlich sehr effektiv.

Kommentare zum Artikel

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17-Jan-2017Thomas WankmüllerThomas WankmüllerHört sich schlimm an,habe das ganze ca 1 Jahr durch keiner konnte mir helfen .TraT ganz unkontrolliert auf .Wenn dann ca 4-5 Tagen nach dem aufstallen.Es waren immer die schönsten also immer die die höchsten Futteraufnahme.SGD war da Tierarzt und Vertreter der Industrie keine wußte Rat.Kam immer nur das gleiche dabei raus zuviel Eiweiß im Enddarm und darum Wachstum von Bakterien. Wir waren soweit das nur noch 10 % Soja zum Anfang eingemischt wurde. Dies brachte auch keinen Erfolg!!! Futter wurde so oft gesiebt und gemacht keiner fand den Fehler. Waren ca 15 % kleinste Körnung. Ist ja nicht dramatisch nur davon waren viele zu kleine Partikel dabei die keinem auffiel. Ein Vertreter von Mühlenhersteller brachte mich drauf .bei uns waren die Filter von der Mühle zu wir produzierten einen Rückstau in die Mühle und damit kleinspartikel. .FILTER GEWECHSELT UND SAUBER GEMACHT UND EIN WUNDER!!! Seit dem Tag keine Ödemprobleme mehr
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