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Klinischer Fall: Bekämpfungsmaßnahmen nach Ausbruch der Ödemkrankeit

Zunächst wurde eine Reihe von erfolglosen Maßnahmen durchgeführt, bis das Problem endgültig gelöst werden konnte.

Der klinische Fall ereignete sich vor etwa 4 Jahren in einem Ferkelerzeugerbetrieb mit 1100 Sauen in einem Gebiet mit hoher Schweinedichte. Die Sauen wurden standardmäßig alle 4 Monate gegen Aujeszky und PRRS mit einem Lebendimpfstoff geimpft. Die routinemäßige Impfung gegen Parvo und Rotlauf erfolgte in der ersten Woche der Säugezeit. Der Bestand war PRRSV-positiv, aber stabil. 

Am ersten Standort befanden sich die Sauenanlage und die meisten Ferkelaufzuchtplätze. Die Gebäude für die Ferkelaufzucht verfügten über 8 Abteile mit Platz für je 300 Ferkel. Das bedeutet, an dem Standort war Platz für 4 Gruppen (2 Abteile/Gruppe). Die übrigen Ferkel wurden an einem extra Standort mit Platz für zwei weitere Gruppen (ein 600er Abteil und zwei 300er Abteile) untergebracht.

Klinische Symptome

Die Probleme traten zum Zeitpunkt des Wechsels vom Prestarter- zum Starterfutter auf. Einige Ferkel verendeten plötzlich ohne erkennbare Symptome. Andere wiederum zeigten geschwollene Augenlider, Abgeschlagenheit und anfangs Dyspnoe und später zentralnervöse Störungen mit Gleichgewichts- und Gangstörungen. Bei einigen Schweinen konnten noch schwerere Symptome in Form von Ruderbewegungen in Seitenlage beobachtet werden. Allerdings verendeten die meisten betroffenen Ferkel bereits vor diesem Stadium. Die erkrankten Ferkel hatten kein Fieber und häufig waren die am besten entwickelten Tiere betroffen. Die Mortalitätsrate erreichte annähernd 100%.

 

Erkranktes Ferkel

 

Pathologische Veränderungen

Bei einigen der verendeten Tiere konnten Ödeme am Augenlid, Mesokolon und in der Submukosa der großen Kurvatur des Magens beobachtet werden. In einigen Fällen zeigten die Ferkel zudem vergrößerte mesenteriale Lymphknoten und eine katarrhalische oder hämorrhagische Enteritis.

 

Pathologische Veränderungen

 

Die pathologischen Veränderungen waren sehr charakteristisch und wurden schnell mit dem fortgeschrittenen Stadium der klassischen Form der Ödemkrankheit in Verbindung gebracht. Diese Form tritt häufig im Zusammenhang mit einem Futterwechsel oder bei Ferkeln auf, die zu viel gefressen haben (meist die dominanten und stärkeren).

Die Morbidität war zu Beginn eher gering. Im Durchschnitt war etwa 1% der Tiere betroffen, obwohl sich die Befunde zwischen den Tiergruppen erheblich unterschieden (von unauffälligen Gruppen bis zu Gruppen mit 4% erkrankten Tieren). Das Problem verschärfte sich in der Folgezeit, sodass bald alle Gruppen betroffen waren. In einigen Absetzgruppen erkrankten mehr als 10% der Ferkel.

 

Laboruntersuchungen

Die Tiere zeigten weder Fieber noch eine positive Reaktion auf die Gabe von Antibiotika oder Entzündungshemmern. Aufgrund dieser Tatsache und der pathologischen Befunde schloss der Tierarzt eine Streptokokken-Meningitis oder die Glässer´sche Krankheit als Differentialdiagnose aus.

Die Laboruntersuchungen konnten die Diagnose bestätigen. Histopathologisch konnten im Gehirn typische Gefäßläsionen und Ödeme in den Hirnhäuten bei 5 Tieren festgestellt werden. Aus Proben vom Jejunum konnte E. coli isoliert und in einer anschließenden PCR zusätzlich Genomfragmente von F18-Fimbrien und dem Shigatoxin nachgewiesen werden. Außerdem wurde ein Resistenztest für das vorherrschende Isolat angefertigt.

 

Tabelle 1. Mikrobiologische Untersuchung

Ohrmarke Nachweis von
H. kleine 1 Beta-hämolysierende Escherichia coli***, Isolat 2, sensibel gegenüber: CN, ENR, S, EFT, AMC, KF, CAZ, FL, SH, CT
H. kleine 2 Beta-hämolysierende Escherichia coli*** / Escherichia coli**
H. große 2 Beta-hämolysierende Escherichia coli*** / Escherichia coli**

Kein Nachweis von Salmonella spp.

***hochgradig **mittelgradig * geringgradig (nur einige Kolonien)

Im Resistenztest getestete Antibiotika: Acetamide: FL: Florfenicol; Penicilline: AMC: Amoxicillin/Clavulansäure; AMP *: Ampicillin; P: Penicillin; Cephalosporine: KF*: Cephalothin; EFT: Ceftiofur; CAZ: Ceftazidim. Aminocyclitole: SH: Spectinomycin; Aminoglycoside: APR: Apramycin; CN: Gentamicin; N: Neomycin; S: Streptomycin; Fluoroquinolone: ENR: Enrofloxacin; Macrolide: E: Erythromycin; DA*: Clindamycin; TMS: Tilmicosin; Polypeptide: B: Bacitracin; CT: Colistin Sulfat; Tetracycline: TE*: Tetracyclin; Folate Inhibitoren: SxT: Sulfamethoxazole + Trimethoprim. Hinweis *: AMP-empfindliche Bakterien gelten auch als sensibel gegenüber Amoxicillin. Wenn sie gegenüber KF sensibel sind, sind sie auch gegen alle Cephalosporine der ersten Generation sensibel. Wenn sie gegenüber DA sensibel sind, sind sie auch gegen Lincomycin sensibel. Wenn sie gegenüber TE sensibel sind, sind sie auch gegen Chlortetracyclin, Doxycyclin, Oxytetracyclin und Minocyclin sensibel.

 

Erste Bekämpfungsmaßnahmen

Mehrere Maßnahmen wurden umgesetzt:

  1. Der Einsatz verschiedener nach Antibiogramm wirksamer Antibiotika im Futter und Wasser konnte das Problem nicht lösen. Vielmehr stieg die Anzahl der betroffenen Tiere. Außerdem schien es so, als seien bestimmte Abteile mehr betroffen. Auffällig war auch, dass die Probleme nur in der Ferkelaufzucht am Sauenstandort auftraten. Die Ferkel am zweiten Standort waren nicht betroffen.
  2. Aus diesem Grund zielten alle Maßnahmen zunächst auf eine Erregerminimierung sowohl im Wasser als auch in der Umgebung ab. Das Trinkwasser wurde angesäuert, um auf der einen Seite bestimmte Keime abzutöten und auf der anderen Seite die Vermehrung nützlicher Bakterien wie Lactobacillus, Streptococcus und Enterobacteriaceae im Darm zu fördern. Außerdem wurden verschiedene Managementmaßnahmen angepasst. So wurde in Zukunft mit Schaum und verschiedenen Desinfektionsmitteln gearbeitet, außerdem wurden die Leertage von 3 auf 7 Tage erhöht. 
  3. Eine bessere Gewöhnung an das Starterfutter sollte erreicht werden, indem der Übergang nicht mehr so abrupt stattfand, außerdem wurde der Proteingehalt gesenkt.
  4. Verschiedene Probiotika, wie Saccharomyces cerevisiae, wurden auch getestet, um die Tiere vor einer möglichen pathogenen Flora kompetitiv zu schützen.
  5. Eine Impfung gegen die Ödemkrankheit wurde nicht durchgeführt.

 

Zweite Bekämpfungsmaßnahmen

Da durch die ersten Bekämpfungsmaßnahmen keine nennenswerten Erfolge erzielt werden konnten, wurde entschieden, den kompletten Aufzuchtbereich zu räumen und anschließend gründlich zu reinigen. Dazu wurden auch die Wasserleitungen entleert, um den Bakterien kein Erregerreservoir zu bieten. Die Reinigung der Güllekanäle gestaltete sich als schwierig, da in vielen Bereichen verkrustetes und verklumptes organisches Material (Futter und Kot) vorhanden und ohne vollständige Entfernung der Betonspaltenböden kein Zugang zu diesem möglich war. Daher wurde dem Güllekanal nach Reinigung und Desinfektion Natriumhydroxid, auch als Ätznatron bekannt, zugesetzt, um den Bakteriengehalt in dem noch vorhandenen organischen Material zu reduzieren. Die ersten Tiere wurden nach 7 Wochen wieder eingestallt.      

Diese Maßnahmen zeigten sich allerdings ebenfalls als nicht wirksam: Bereits im ersten Durchgang traten durch die Ödemkrankheit wieder Verluste in ähnlicher Intensität wie vorher auf.

 

Dritte Bekämpfungsmaßnahmen

Angesichts der Ineffektivität der bereits eingeleiteten Maßnahmen, der Hoffnungslosigkeit der Situation und angesichts der Tatsache, dass sich das Problem immer mehr verschlimmerte, wurde einige Monate später eine erneute Totalsanierung mit Räumung der Stallgebäude am ersten Standort durchgeführt. Die Entscheidung dazu wurde vor allem vor dem Hintergrund gefällt, dass die abgesetzten Ferkel am anderen Standort nicht erkrankten. Dieses Mal wurden alle Spaltenböden entfernt, um Reste von organischem Material besser erreichen zu können. Das Bild zeigt einen Güllekanal mit Kotresten, nachdem bereits ein Großteil des organischen Materials entfernt und Wasser zum Spülen zugesetzt wurde.

 

Kotreste im Güllekanal

 

Die Bodenbeschaffenheit der Güllekanäle wurde verbessert und die Oberflächen gekalkt, damit in Zukunft weniger organisches Material haften kann. Der Branntkalk absorbiert Wasser, wodurch die Mikroorganismen auf den Oberflächen dehydrieren.

 

Arbeiten am Güllekanal

 

Die Investitionskosten betrugen über 60.000 EUR, exklusive der zwei monatigen Stilllegung, währenddessen die Absetzferkel in anderen Aufzuchtställen oder direkt in den Mastställen gehalten werden mussten.

Die eingeleiteten Maßnahmen führten dieses Mal zum Erfolg. Allerdings bleibt festzuhalten, dass die Strategie mit hohen Risiken verbunden war angesichts der hohen Kosten und angesichts der Tatsache, dass keine 100%ige Garantie für die Eradikation der Krankheit gegeben war, da die Sauen vermutlich immer noch Träger Shigatoxin-produzierender E. coli waren. So könnten bestimmte Faktoren, wie z.B. ein erneutes Festsetzen von organischem Material im Güllekanal, zu einem Anstieg des Infektionsdrucks führen, sodass letztendlich die Ödemkrankheit erneut ausbrechen könnte. 

Uns war im Vorfeld bekannt, dass in einigen Fällen eine Totalräumung der Aufzuchtabteile nicht zu einer erfolgreichen Bekämpfung von E. coli geführt hatte. Allerdings hatten wir zu diesem Zeitpunkt (vor etwa 5 Jahren) keine andere Alternative.

 

Schlussfolgerung

Allgemein hängen Gesundheitsprobleme von verschiedenen Faktoren ab. Das trifft besonders für die Ödemkrankheit zu. Eine korrekte Diagnose der infektiösen Ursache und ein Resistenztest sind elementar für eine wirksame Behandlung. Allerdings ist eine antibiotische Behandlung nicht immer wirksam und stellt keine Lösung auf lange Sicht dar. Außerdem sollten Antibiotika nicht zum Ziel eingesetzt werden, Management- und/oder Hygienemängel zu überdecken, wie es hier der Fall war.

Sauberkeit und Hygiene stellen nach wie vor das A und O bei Durchfallerkrankungen dar, was häufig übersehen wird.

Jede Bekämpfungsmaßnahme sollte erst nach vorheriger, gründlicher Überlegung zur erwarteten Wirksamkeit, Funktionalität, Dauer und Kosten durchgeführt werden. Heutzutage stehen neue Alternativen bei der Bekämpfung der Ödemkrankheit zur Verfügung, sodass die im vorliegenden Fall durchgeführten Maßnahmen evtl. durch andere ergänzt oder ersetzt worden wären. Nur wer sich gründlich mit dem Problem und den Bekämpfungsmöglichkeiten auseinandersetzt, kann einen geeigneten Maßnahmenkatalog erstellen, der alle Vor- und Nachteile, Kosten sowie Nachhaltigkeit auflistet, sodass die für den jeweiligen Bestand beste Entscheidung getroffen werden kann.

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