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Klinischer Fall: Frühe antbiotische Behandlung und darauffolgende respiratorische Erkrankungen

Diese Fallstudie zeigt, dass die gutgemeinte Behandlung von Ferkeln bei der Geburt einen negativen Effekt haben kann. Eine normale Kolonisation von Nasopharynx und Tonsillen wird verhindert und macht die Ferkel empfänglich für Infektionen mit diversen Pathogenen, die in der Herde kursieren.

Der heutige Fall beschäftigt sich mit der suboptimaler Produktivität und einem verbesserungswürdigem Gesundheitsstatus bei einem Ferkelerzeuger mit 500 Sauen in Yorkshire(UK). Probleme gab es in der Ferkelaufzucht, die hier entstandenen Gesundheitsbeeinträchtigungen begleiteten die Tiere dann aber bis zur Schlachtung.

Die Herde bestand schon lange und hatte einen eher durchschnittlichen Gesundheitsstatus. Sie war nachgewiesenermaßen positiv für Mycoplasma hyopneumoniae, PRRS, PCV2, Haemophilus parasuis und Streptococcus suis. Aufgrund von langandauernden Problemen mit respiratorischen Erkrankungen, vor allem bei den Aufzuchtschweinen, wurde der Produktionsrhythmus vor einigen Jahren vom wöchentlichem Absetzen auf einen Dreiwochenrhythmus umgestellt. Ziel war es, 69 Abferkelungen alle drei Wochen zu erreichen. Die Produktionsdaten der Zuchtherde sind in Tabelle 1 aufgeführt.

Tabelle 1: Produktionsdaten der Sauenherde der letzten 12 Monate

durchschnittliche Anzahl Sauen 506
Gesamtzahl Abferkelungen 1194
Abferkelungsrate 86.50%
Abferkelungsindex 2.36
Lebendgeburten/ Wurf 12.3
Totgeburten/ Wurf 0.7
abgesetzte Ferkel/ Wurf 11.05
aufgezogene Ferkel/Sau/Jahr 26.1
durchschnittliches Absetzgewicht 7.3kg
durchschnittliches Absetzalter 26 Tage
Remontierungsrate 48%

Jungsauen wurden vor der ersten Besamung gegen Rotlauf, Parvovirose und PRRS geimpft. Vor der Abferkelung wurde allen Sauen und Jungsauen eine Wiederholungsimpfung gegen Rotlauf und PRRS verabreicht. Zusätzlichen wurden die Jungsauen während der Trächtigkeit gegen E.coli geimpft.

Die Ferkel wurden am 7. Lebenstag nur gegen M. hyo und mit drei Wochen gegen PCV2 geimpft. Am 4. Lebenstag erhielten sie eine Eiseninjektion und Toltrazuril oral.

Da es in der Vergangenheit zu einer hohen Anzahl Gelenkerkrankungen bei den Saugferkeln in den ersten zwei Lebenswochen kam, wurde schon länger routinemäßig eine einmalige Injektion mit 75mg Amoxicillin bei der Geburt durchgeführt. Bei den verabreichten 0,5 ml 15% LA Amoxicillin handelt es sich ungefähr um das dreifache der empfohlenen Dosis.Gleichzeitig wurden die Zähne geschliffen.

Innerhalb des Dreiwochenrhythmus wurden die Ferkel mit durchschnittlich 36 Tagen abgesetzt und in drei Flatdecks eingestallt. In der Vergangenheit variierte das Alter der eingestallten Ferkel aufgrund mangelnder Disziplin sehr stark, in den vergangenen 12 Monaten konnte aber ein maximales Alter der Ferkel von 28-29 bei Einstallung erreicht werden.

Zum Absetzen erhielten die Ferkel 3,1 kg Zinkoxid/Tm über einen Zeitraum von zwei Wochen um Durchfall bei den Absetzern zu vermeiden. Um das im Betrieb bekannte Auftreten der Streptokokkenmeningitis zu verhindern, wurde 2- 4 Wochen nach dem Absetzen 3 kg/Tm Trimethoprim/Sulphadiazin gefüttert.

Tierärztlicher Rat wurde vor allem wegen der schlechten Leistung der Absatzferkel gesucht. Die Untersuchung ergab allerdings, dass die Schwierigkeiten weitreichender waren, als ursprünglich angenommen.

Klinische Untersuchung

Der Betriebsbesuch fand 11 Tage nach dem Absetzen statt. Es war bekannt, dass die Ferkel in der ersten Woche nach dem Absetzten gut fraßen, aber nach circa 10 Tagen begannen, "stehenzubleiben".

Die klinische Untersuchung ergab:

1) massenhaftes Husten und ein trockenes Niesen in allen drei Flatdecks bei den vor 11 Tagen abgesetzten Ferkeln.

2) Rektaltemperatur zwischen 39,0 und 40,5 ºC.

3) Die Raumtemperatur variierte gemäß Aufzeichnung um weniger als 2 ºC, die Raumluft erschien zwar trocken, war aber nicht offensichtlich mit Staub und Emissionen belastet. Das Liegeverhalten ließ auf eine funktionierende Lüftung ohne Zugluftentwicklung schließen.

4) In allen drei Flatdecks (je Stall 250 Tiere, stallweise aufgeteilt in kleine, mittlere und große Schweine) hatten zwischen 5-15% der Ferkel ein eingefallenes Abdomen, eine schlechte Körperkondition und insgesamt herabgesetztes Allgemeinbefinden. Etliche Tiere zeigten Dyspnoe, die Rektaltemperatur dieser Tiere rangierte zwischen 39 ºC und 40.5ºC (Abbildung 1).

Schlechte Körperkondition und eingefallenes Abdomen

Abbildung 1: frisch abgesetzte Ferkel mit schlechter Kondition und eingefallenem Abdomen

5) Das in der ersten Woche nach dem Absetzen angebotene Futter wurde gut angenommen (durchschnittlich 1 kg/Schwein über 6 Tage), aber die erwartete Steigerung der Futteraufnahme in der zweiten Woche blieb aus.

6) Die drei Wochen zuvor abgesetzten Ferkel zeigten keinen Husten mehr, hatten aber nach Aussage des Landwirts 10 Tage nach dem Absetzen exakt dasselbe Problem und wurden daher über 5 Tage mit 20/mg/kg KGW/Tag mit Amoxicillin über das Trinkwasser behandelt. Die Behandlung wurde sofort begonnen, wenn die ersten Tiere zu husten begannen (typischerweise 8-10 Tage nach dem Absetzen). Die Behandlung war in den meisten Abteilen nötig. Bei den vor 32 Tagen abgesetzten Ferkeln sahen die meisten Tiere gut aus, allerdings kümmerten einige der Tiere ganz offensichtlich und mussten euthanasiert werden.

7) Die Produktionsdaten der Ferkelaufzucht sind in Tabelle 2 zusammengefasst.

Tabelle 2. Leistung nach dem Absetzen der letzten 12 Monate

Absetzalter 26 Tage
Absetzgewicht 7.3 kg
Zeit in Aufzucht 35 Tage
Gewicht nach Aufzucht 18.5 kg
tägliche Zunahme in Aufzucht 320 g/Tag
Mortalität 2.70%

8) Im Rahmen des BPEX Schweinegesundheitsprogramms (BPHS) wurden dem Betrieb Schlachtdaten von 50 Schweinen je Charge zur Verfügung gestellt. Lungenschäden, wie sie durch Enzootische Pneumonie hervorgerufen werden, traten selten auf ( 2 von möglichen 55 Punkten). Allerdings hatten in den letzten zwei Jahren 8-24% der Tiere Pleuritis und 0-12% Perikarditis (siehe Abbildung 2).

Schalchtdaten:Pleuritis und Perikarditis
Abbildung 2: Prozentsatz der Schlachtschweine mit Pleuritis und Perikarditis in aufeinanderfolgenden Quartalen. Die hier beschriebenen Veränderungen wurden in Quartal 9 durchgeführt- die in Quartal 11 und 12 geschlachteten Schweine wurden unter verändertem Medikamentenmanagement aufgezogen.

9) Die Körperkondition der Tiere im zwischen 18 und 41 kg KGW war insgesamt gut, in den Mastabteilen zeigte sich ein ähnliches Bild obwohl die Tiere teilweise auseinandergewachsen waren. Die Tiere wurden mit circa 105 kg KGW geschlachtet, die durchschnittliche Tageszunahme betrug 604g/Tag.

Weiterführende Untersuchungen

Sektion

Drei kümmernde Läufer und 3 Schweine mit hochgradiger Dyspnoe aus einer akut erkrankten Gruppe, die 32 Tage zuvor abgesetzt wurden, wurden euthanasiert und seziert.

Die drei ältesten Schweine zeigten Anzeichen einer Polyserositis in verschiedenen Schweregraden. Alle zeigten eine Pleuritis und Perikarditis, nur ein Schwein hatte zudem eine Peritonitis. Makropathologisch zeigten sich bei den drei jüngeren Schweine außer fibrinösen Ablagerungen auf der Pleura kaum Auffälligkeiten.

Perikarderguss und Fibrinauflagerungen auf der Leber

Abbildung 3: Sektion eines Absetzers: Perikarderguss und fibrinöse Auflagerungen auf der Leber

Chronische fibrinöse Pleuritis bei einem Absetzer

Abbildung 4: Sektion eines Absetzers: akuter Pleuraerguss und fibrinöse Auflagerungen die im Begriff sind, sich zu organisieren- es entsteht eine chronische fibrinöse Pleuritis.

Obwohl alle Schweine erst kürzlich eine Antibiotikagabe entweder über das Trinkwasser (Amoxicillin für die jungen Schweine) oder per Futter (Trimethoprim/Sulphadiazin für die älteren Schweine) erhalten hatten, wurde ein bakteriologischer Nachweis versucht. Hier wurde allerdings einzig bei einem älteren Schwein Streptococcus suis nachgewiesen.

Die Histopathologie der Lungen ergab keine signifikanten Läsionen und die PCR auf PRRSV war negativ.

Seroprofiling

Es wurden Querschnittsblutproben von Schweinen verschiedener Alterklassen genommen, diese ließen vermuten, dass es erst nach dem Auftreten der klinischen Symptome auch zu einer viralen Belastung der Tiere mit PRRSV gab, diese war daher für die Ursachenfindung nicht relevant.

Tabelle 3: PRRS Serologie (ELISA)

Alter Anzahl positiver Tiere
37 Tage 1/6
58 Tage 0/6
79 Tage 5/6
100 Tage 6/6

Zurückliegende Probennahmen

18 Monate vor den in diesem Fall beschriebenen Untersuchungen wurde die Herde schon einmal beprobt, da sie als potentieller Versuchsbetrieb für ein pharmazeutisches Unternehmen in Frage kam. In diesem Rahmen wurden bei 20 Absetzern Tonsillentupfer gewonnen. Detaillierte Befunde waren nicht verfügbar, aber es wurde berichtet, dass in der bakteriologischen Untersuchung Haemophilus parasuis, Streptococcus suis und Mycoplasma hyorhinis isoliert werden konnten.

Interpretation

Obwohl keine definitive Diagnose aufgrund der bakteriologischen Ergebnisse gestellt werden konnte, wurde geschlussfolgert, dass der Infektionszeitpunkt mit einem bakteriellen Erreger circa 7-10 Tage nach dem Absetzen liegen muss. Diese Infektion führte zu einer Polyserositis und Pleuritis, die teilweise bis zur Schlachtung persistierte. Die die Tiere sprachen schlecht auf die medikamentöse Behandlung an weil:

1) die Behandlung zu spät begann

2) das Antibiotikum falsch gewählt wurde

3) die Mikroflora gestört war.

Die Aufmerksamkeit wurde auf die Behandlung mit einer hohen Dosis eines Breitspektrumantibiotikums direkt nach der Geburt und die Auswirkung auf die nasopharyngeale Mikroflora gerichtet. Die Balance und die natürliche Entstehung einer stabilen Mikroflora wurden so nachhaltig gestört. Die Auswirkung auf den Nasopharynx ist nicht so offensichtlich, obwohl auch hier bekannt ist, dass eine frühe Besiedlung mit H. parasuis die Anfälligkeit für die Glässersche Krankheit später im fördert.

Behandlungsempfehlung und Ergebnis

Trotz eines starken Widerwillens sowohl des Leiters als auch des für die Sauen und Ferkel zuständigen Pflegers, die Behandlung mit Amoxicillin bei Geburt einzustellen, wurde diese Maßnahme als essentiell für die Beseitigung der Gesundheitsprobleme nach dem Absetzen erachtet.

Nachdem die Behandlung eingestellt wurde, erreichten die Ferkel in der Aufzucht Tageszunahmen von 348 g pro Tag, die Mortalität sank auf 1-2%. Es gab kein nennenswertes Auftreten von Gelenkerkrankungen bei jungen Ferkeln mehr.

Der Betriebsleiter berichtete von nur noch wenigen Tieren mit Atemwegserkrankungen nach dem Absetzen, außerdem gab es nur noch vereinzelt Kümmerer. Der Einsatz von Medikation über das Trinkwasser konnte reduziert werden- vormals die Norm, wurden jetzt nur noch 3 von 30 Ställen behandelt.

Die Wachstumsrate verbesserte sich, obwohl sich eine Interpretation der Zahlen durch eine Anhebung des Schlachtgewichts schwierig gestalten.

Zwei Untersuchungen am Schlachthof ergaben bei unbehandelten Tieren keinen Hinweis auf Perikarditis und eine Pleuritisinzidenz von 6% und 4%.

Schlussfolgerung

Eine Infektion mit einem Atemwegserreger nach dem Absetzen kann komplex sein und langandauernde Effekte wie die Entstehung einer chronischen Pleuritis und Perikarditis haben. Diese Fallstudie zeigt, dass die gutgemeinte Behandlung von Ferkeln bei der Geburt einen negativen Effekt haben kann. Die normalen Kolonisation von Nasopharynx und Tonsillen wird verhindert und macht die Ferkel empfänglich für Infektionen mit diversen Pathogenen, die in der Herde kursieren. Für eine gute Darmgesundheit ist es ebenfalls essentiell, den Tieren die Ausbildung einer normalen Darmflora zu ermöglichen. Diese Studie legt nahe, dass diese Erkenntnisse ebenfalls für die Gesundheit der Atemwege gelten.

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