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Vorübergehende epidemische neonatale Mortalität und Senecavirus A (SVA)

Vieles deutet darauf hin, dass das Senecavirus A (SVA) eine Ursache der idiopathischen vesikulären Schweinekrankheit ist. Ferner wurde vor kurzem von dem Syndrom neonataler Mortalität in Verbindung mit SVA berichtet, das bei 0-7 Tage alten Saugferkeln auftrat.

Senecavirus A

Senecavirus A (SVA, früher bekannt als Seneca-Valley-Virus) ist ein 30 nm großes unbehülltes RNA-Virus. Es ist die einzige Spezies der Gattung Senecavirus aus der Familie Picornaviridae.

 

SVA-Anwendungen und pathologische Folgen

SVA wird seit 1988 bei Schweinen nachgewiesen und wurde als Virus beschrieben, das dem Picornavirus ähnelt, bis es 2002 aus kontaminiertem Zellkulturmedium isoliert und als Seneca-Valley-Virus bezeichnet wurde (Reddy, Burroughs et al. 2007). Tatsächlich wurde SVA als für den Menschen nicht pathogenes Virus identifiziert, das onkolytische Eigenschaften besitzt und dessen Wirksamkeit bei der Krebstherapie derzeit in klinischen Studien am Menschen ausgewertet wird (Rudin, Poirier et al. 2011). Das Genom wurde zum ersten Mal 2008 vollständig sequenziert (Hales, Knowles et al. 2008).

Veterinärmedizinische Studien legen nahe, dass SVA mindestens seit Ende der 1980er Jahre unter Haustieren zirkuliert. Bei Rindern, Mäusen und Schweinen wurden Anti-SVA-Antikörper nachgewiesen (Knowles, Hales et al. 2006). Vieles deutet darauf hin, dass SVA eine Ursache der idiopathischen vesikulären Schweinekrankheit (IVD) ist (Singh, Corner et al. 2012, Leme, Zotti et al. 2015). Die Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) und die meisten Regierungen betrachten diese vesikulären Schweinekrankheiten für meldepflichtig: die Maul-und-Klauenseuche (MKSV, Aphtovirus), die Vesikuläre Schweinekrankheit (SVDV, Enterovirus), die Vesikuläre Stomatitis (VSV, Rhabdovirus) und das Vesikuläre Exanthem (SVEV, Calicivirus). Fälle der klinischen Vesikulären Schweinekrankheit, die diesen 4 Viren gegenüber negativ sind, gelten daher als „idiopathische vesikuläre Schweinekrankheit”.

Trotz mehrerer Versuche gelang es bisher nicht, die Vesikuläre Schweinekrankheit experimentell durch SVA hervorzurufen. Das Virus wurde jedoch bei vesikulären Läsionen erkrankter Tiere durch Hybridisierung in situ  nachgewiesen (Abb. 1). Derzeit läuft eine Studie mit dem Versuch, die Vesikuläre Schweinekrankheit mit SVA zu reproduzieren, das vor kurzem bei Schweinen aus dem Mittleren Westen der USA isoliert wurde, die an der idiopathischen vesikulären Schweinekrankheit erkrankt waren.

 

Skin biopsy of a vesicle from an affected pig

Abbildung 1: Hautbiopsie eines Bläschens von einem infizierten Schwein. Das Virus kommt hauptsächlich im Stratum spinosum der Epidermis vor. Intraepidermale Bläschen: Virus vermehrt sich in Keratinozyten.

 

Verbindung mit ETNL in Brasilien und den USA

Vor kurzem (Juli 2015) berichtete Brasilien von einem neuartigen Krankheitssyndrom in Verbindung mit SVA. Dr. Vannucci und seine Kollegen berichteten von dem Syndrom neonataler Mortalität, das bei 0-7 Tage alten Saugferkeln auftrat. Die Sterblichkeitsrate war höher (40-80%) bei 0-3 Tage alten Ferkeln und niedriger (20-40%) bei 4-7 Tage alten Ferkeln. Würfe, die älter als eine Woche waren, schienen nicht klinisch erkrankt zu sein. Sobald die Krankheit festgestellt wurde, kam es zu einem relativ schnellen Ausbruch des Wasting-Syndroms (Auszehrung), das zum Tod führte, und der Betrieb kehrte erst nach 4-10 Tagen zur ursprünglichen Mortalitätsrate zurück. Es ist wichtig hervorzuheben, dass der Magen der meisten Ferkel (>80%) voll mit Milch/ Kolostralmilch war. Aufgrund dieser Kennzeichen schlugen wir den Begriff vorübergehende epidemische neonatale Mortalität (ETNL - epidemic transient neonatal mortality) vor (Vannucci, Linhares et al. 2015; s. Abb. 2).

 

Acute and transient characteristics of the epidemic transient neonatal mortality

Abbildung 2: Akute und zeitweilige Kennzeichen der vorübergehenden epidemischen neonatalen Mortalität (ETNL). Links: Typisches Erscheinungsbild eines bei einem ETNL-Ausbruch infizierten Wurfs. Rechts: Neuer Wurf aus dem gleichen Abferkelstall 10 Tage nach dem Höhepunkt der Mortalitätsraten.

 

Eine umfassende pathologische Bewertung infizierter Ferkel aus verschiedenen Betrieben in Brasilien und später im Mittleren Westen der USA zeigte keine allgemeinen bzw. konsistenten makroskopisch sichtbaren oder histopathologischen Läsionen, die die Ursache der Sterblichkeit der Ferkel erklären würden. Ein konsistentes Ergebnis von Betrieben, bei denen ETNL aufgetreten war, war der Nachweis großer Mengen des Senecavirus A in verschiedenen Geweben von Ferkeln, einschließlich des Gehirns, Bluts und des Lymphgewebes, was auf eine weitverbreitete Infektion hindeutet (Linhares, Rademacher et al. 2015) (Abb. 3). SVA wurde nicht in Geweben von Ferkeln gefunden, die keine Anzeichen der Krankheit aufwiesen.

Nachweis der Verteilung des Virus in Geweben von Ferkeln, die an ETNL erkrankt waren, durch quantitative PCR.

Abbildung 3: Nachweis der Verteilung des Virus in Geweben von Ferkeln, die an ETNL erkrankt waren, durch quantitative PCR.

 

Neben dem ETNL-Syndrom berichteten einige Betriebe auch von der idiopathischen vesikulären Schweinekrankheit mit mäßigen bis leichten Läsionen an der Schnauze und/oder den Klauen (Kronenrand des Hufs, Zwischenklauenspalt oder Fußballen) (Abb. 4). In anderen Betrieben wurden keine Läsionen festgestellt, die der vesikulären Schweinekrankheit ähneln, was darauf hindeutet, dass SVA andere zusätzliche Faktoren zum Ausbruch der Krankheit benötigt (unter der Annahme, dass SVA die Krankheitsursache darstellt). IVD, die mit ETNL einherging, trat auch vorübergehend auf, wobei die Läsionen an der Schnauze innerhalb weniger Tage und die Klauenerkrankungen innerhalb von ca. 2 Wochen verheilten.

 

Snout and foot lesions reported in idiopathic vesicular disease cases

Abbildung 4: Läsionen an Schnauze und Klauen, die in Fällen der idiopathischen vesikulären Schweinekrankheit festgestellt wurden.

 

Epidemiologische Bedeutung und Folgen

ETNL breitete sich in Brasilien schnell aus, wobei es zu zeitlichen und örtlichen Häufungen kam. Wenn also ein bestimmter Betrieb das Syndrom meldete, war es ziemlich wahrscheinlich, dass benachbarte Betriebe auch von ETNL betroffen waren, unabhängig vom Produktionssystem, dem Durchlauf bzw. den Bewegungen der Schweine/ Personen, der genetischen Quelle oder dem Futtermittelunternehmen. In Brasilien und den USA gab es Beispiele von Betrieben, die für mehr als 6 Monate geschlossen wurden (wobei keine Jungsauen/ Eber aus externen Betrieben aufgenommen wurden) und daraufhin von ETNL betroffen waren. Alles in allem legen diese Beobachtungen nahe, dass ETNL und/oder IVD auch auf indirektem Wege übertragen wurden.

Bisher haben die ersten Betriebe, die einen Ausbruch gemeldet hatten (September 2014), (nach unserem Kenntnisstand) von keinen erneuten Ausbrüchen berichtet. Mit anderen Worten scheint es, dass ETNL zumindest nach einem Jahr ein einmaliges Ereignis war. Wenn man in Betracht zieht, dass die Remontierungsrate der meisten Betriebe bei ca. 45% liegt und die meisten Sauen ca. alle 2 Jahre ersetzt sind, deutet alles darauf hin, dass sich das Verhältnis zwischen anfälligen und immunen/ resistenten Tieren drastisch ändern wird. Dies könnte alle 1,5 bis 2 Jahre zu Wellen von ETNL-Fällen führen.

Ausgehend von der Annahme, dass sowohl ETNL als auch IVD durch SVA verursacht wurden, weist dieses Virus eine hohe Übertragungsrate (auf regionaler und auf Betriebsebene) auf, ist hoch immunogen und führt zu lang anhaltender Immunität (von mindestens 1 Jahr).

Jüngste molekular-epidemiologische Studien (Jianqiang et al. ASM science, anerkannt; Vannucci, Linhares et al 2015) zeigten, dass sich heutige SVA-Isolate (USA und Brasilien, ETNL- und/oder IVD-Fälle) getrennt von den meisten früheren SVA-Isolaten häuften, was darauf hindeutet, dass SVA sich kürzlich geändert und sich dadurch dessen Pathogenität erhöht haben könnte. Andererseits könnte der kürzliche Anstieg der klinischen Fälle, die mit SVA in Verbindung stehen, auf Veränderungen (Erhöhung) der Übertragungsrate und/oder den Fortbestand von SVA in der Umgebung zurückzuführen sein.

Die Herausforderung besteht immer noch darin zu verstehen, wie und wo sich SVA zwischen den Ausbrüchen „versteckt” und wie es zwischen den Betrieben übertragen wird. Kann also SVA in Futtermittelbestandteilen ansteckend bleiben? Wird es durch die Luft übertragen? Wird es durch Krankheitsüberträger übertragen? Weitere Forschung ist notwendig, um diese Fragen zu klären.

 

Ausblick

Zahlreiche Studien und Forschungsarbeiten wurden durchgeführt um die künftigen Aufgaben zu benennen wie z. B. a) einen ELISA-Test für SVA entwickeln/ anerkennen, b) die Rolle von SVA bei ETNL/ IVD bestätigen, c) die molekulare Epidemiologie von SVA in Brasilien und den USA verstehen, d) Verfahren zur SVA-Desinfektion.

In jedem Fall, in dem IVD festgestellt wird, muss eine Untersuchung auf exotische Tierseuchen eingeleitet werden, um die anderen 4 vesikulären Schweinekrankheiten (einschließlich MKS) auszuschließen.

 

Danksagungen

Dr David Barcellos, Iowa State University und Forschungs- und Beratungsteams der University of Minnesota.

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