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Nutztierassoziierte MRSA - Wie viel Sorgen müssen wir uns wirklich machen?

Nach mehr als einem Jahrzehnt liegen nur wenige Beweise vor, die darauf hindeuten, dass LA-MRSA eine unmittelbare Bedrohung für die öffentliche Gesundheit darstellen, und dies sogar in Ländern, in denen die Prävalenz bei Schweinen hoch ist.

Es ist nun mehr als ein Jahrzehnt her, dass man entdeckte, dass Nutztiere den Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) beherbergen und auf Menschen übertragen können. Seither steht das Thema der Nutztier-assoziierten MRSA (livestock-associated MRSA/LA-MRSA), insbesondere bei Schweinen, im Zentrum der Debatte über die Auswirkungen des Antibiotikaeinsatzes bei Nutztieren auf die menschliche Gesundheit. Obwohl S. aureus ein „normaler Bewohner“ der menschlichen Nase und Haut ist, sind nur 20 % der Menschen permanente Träger des Keims. Trotzdem gilt S. aureus in der Humanmedizin als führender opportunistischer Keim, der klinische Infektionen verursacht, die von trivial bis tödlich verlaufen können, wobei das Risiko bei Trägern des Pathogens erhöht ist. Infektionen des Menschen mit Antibiotika-resistenten Stämmen, vor allem MRSA, bedeuten erhöhte Therapiekosten und schlechtere Behandlungsergebnisse. Es ist von zentraler Wichtigkeit, die Bedeutung des MRSA-Reservoirs in Nutztieren zu verstehen, und langsam kommen wir den Antworten auf die Kernfragen auf die Spur.

S. aureus ist Teil der Normalflora vieler gesunder Säugetiere und Vögel. So überrascht es nicht - und ist auch längst belegt-, dass dieser Mikroorganismus zwischen Nutztieren und den Menschen, die mit ihnen zu tun haben, übertragen werden kann. Bislang hat sich die Forschung vorwiegend mit dem MRSA-Stamm ST398 befasst, der in großen Teilen Europas bei Schweinen weit verbreitet ist. Dennoch gibt es auch andere Varianten (einschließlich ST9 in Asien; ST5 in Nordamerika), die an das Schwein adaptiert sind und eine Methicillin-Resistenz entwickeln sowie auf Menschen übertragen werden können. Während die Meinungen hinsichtlich der wichtigsten für das Auftreten von LA-MRSA verantwortlichen Faktoren sehr zahlreich sind, bleibt die Thematik des zeitlichen und räumlichen Vorkommens von LA-MRSA in Schweinebeständen nach wie vor grundlegend ungeklärt. LA-MRSA scheinen bei Schweinen in den USA relativ selten zu sein, obwohl die Methicillin-sensitiven Varianten ST398, ST9 und ST5 in der Schweineindustrie weit verbreitet sind (Sun et al., 2015). Im Gegensatz dazu weisen LA-MRSA in den Beständen mancher Länder, die den Antibiotikaeinsatz bei Schweinen stark reduziert haben (z. B. Dänemark und Niederlande), eine hohe Prävalenz auf. Möglicherweise sind auch andere Faktoren (z. B. hoher Zinkgehalt des Futters und Desinfektionsmittel) für die Selektion resistenter Stämme verantwortlich. (Slifierz et al., 2015)

Es ist unbestritten, dass LA-MRSA beim Menschen klinische Infektionen hervorrufen können, die gelegentlich schwer oder sogar tödlich verlaufen. Dennoch sind nicht alle MRSA gleich: So weisen die Nutztierstämme weniger virulente Gene auf, sind weniger leicht von Mensch zu Mensch übertragbar und verursachen in der Regel weniger schwere Erkrankungen als die Humanstämme (Becker et al., 2017). In Dänemark und Deutschland wurde die Inzidenz klinischer Infektionen des Menschen mit dem MRSA-Stamm ST398 (mit leichtem bis schwerem Verlauf) erst kürzlich auf <3/100 000 Einwohner pro Jahr geschätzt (George et al., 2017). Im Vergleich dazu wurde die jährliche Inzidenz aller invasiven bzw. tödlichen MRSA-Fälle in den USA auf 32 bzw. 6 pro 100 000 Einwohner geschätzt (Klevens et al., 2007). Zudem hat eine im Bundesstaat Iowa, der eine hohe Schweinedichte aufweist, durchgeführte Studie gezeigt, dass <0,5 % aller MRSA-Fälle möglicherweise auf eine LA-MRSA-Infektion zurückzuführen waren (Nair et al., 2016).

Eine Besonderheit von LA-MRSA ist, dass das Expositionsrisiko bei Personen mit Nutztierkontakt zwar überragend hoch ist, dass aber ein Drittel aller gemeldeten klinischen Fälle bei jenen Menschen auftrat, die keinerlei Kontakt zu Nutztieren hatten. Eine neuere Überblicksarbeit zeigte, dass quer durch alle Studien 24 % bis 86 % der Nasentupferproben von Schweinebauern MRSA-ST398-positiv waren, dass aber nur in 12 Fällen - meist mild verlaufender - klinischer Infektionen von Nutztierkontakt der betroffenen Personen berichtet wurde.[4] Die drei Fälle mit tödlichem Ausgang betrafen durchwegs Personen aus Schweinebetrieben, bei denen bereits eine gesundheitliche Beeinträchtigung vorlag, ein Charakteristikum , das bei den meisten bis heute bekannten Fällen schwer verlaufender MRSA-Humaninfektionen auffiel. Was die LA-MRSA-Fälle bei Personen ohne Tierkontakt betrifft, so ist die Übertragung von Mensch zu Mensch die wahrscheinlichste Erklärung. Es wird zunehmend offensichtlich, dass die zumeist relativ hohe LA-MRSA-Kolonisation bei manchen in Schweinebetrieben tätigen Personen ein Jahr lang fortbestehen kann, sodass es zur Übertragung der Infektion auf Familienmitglieder und Freunde kommen kann (Walter et al., 2017; Sun et al., eingereicht). Bislang liegen kaum Beweise dafür vor, dass ernährungs- oder umweltbedingte Infektionsquellen signifikant zum Expositionsrisiko von Menschen beitragen könnten.

Konzeptionelles Modell der Expositionspfade und Risiken f&uuml;r eine Infektion mit dem Nutztier-assoziierten Keim Staphylococcus aureus

Konzeptionelles Modell der Expositionspfade und Risiken für eine Infektion mit dem Nutztier-assoziierten Keim Staphylococcus aureus

Somit lässt sich zusammenfassend sagen, dass nach nunmehr einem Jahrzehnt kaum etwas dafür spricht, dass LA-MRSA eine unmittelbare Bedrohung für die öffentliche Gesundheit darstellen, und das sogar in Ländern mit hoher Prävalenz der Infektion bei Schweinen. Dennoch ist das Expositionsrisiko für Mitarbeiter in positiven Schweinebetrieben hoch. Hinzu kommt, dass es bei dieser Berufsgruppe häufig zu kleineren Verletzungen bei der Arbeit kommt. Es ist daher wichtig sicherzustellen, dass in den Betrieben vernünftige Maßnahmen umgesetzt werden, um das potenzielle Risiko abzuschwächen. Das in Schweinebetrieben tätige Personal sollte dazu ermuntert werden, eine persönliche Schutzausrüstung zu verwenden und für eine entsprechende körperliche Hygiene mit regelmäßigem Waschen der Hände mit Wasser und Seife zu sorgen. Besonders zu achten ist auf schon bestehende Verletzungen oder neue Hautwunden, die zu reinigen und bis zum Abheilen mit einem Verband abzudecken sind. Kommt es zu Wundinfektionen, ist ein Arzt aufzusuchen.

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