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Weniger Stress beim Absetzen: Ist die Sozialisierung der Ferkel vor dem Absetzen eine gute Strategie?

Ist das Vermischen von Ferkeln aus verschiedenen Würfen in der Laktationsphase langfristig von Vorteil? Erfahren Sie, wie die Sozialisierung das Verhalten und die Physiologie von Schweinen beeinflusst.

In meinem letzten Artikel habe ich beschrieben, wie frisch abgesetzte Ferkel einer Reihe von plötzlich und gleichzeitig auftretenden Stressfaktoren (Herausforderungen) ausgesetzt sind, die den Krankheitsstatus und die Immunfunktion und damit die Gesundheit und das Wohlbefinden der Schweine beeinträchtigen können. Dabei können diese Stressoren für einige Ferkel langfristige Folgen in Bezug auf ihre spätere Leistung, ihr Überleben, das Auftreten von Krankheiten und ihre Reaktionen auf Stressfaktoren haben, denen sie zu einem späteren Zeitpunkt (oder zu späteren Zeitpunkten) ausgesetzt sind. Ich habe erörtert, wie die Bereitstellung der richtigen physischen Umgebung, die Erleichterung der Nahrungsumstellung von Milch auf festes Futter und die Optimierung des Gesundheitsmanagements das Ausmaß der negativen Auswirkungen des Absetzens auf die Produktion und das Wohlbefinden der Tiere verringern können. Trotz dieser Bemühungen bleibt jedoch die Tatsache bestehen, dass die gängige Praxis, wurffremde Ferkel beim Absetzen zu mischen, zu Aggressionen und Kämpfen führt, die zusätzlich negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden, die Gesundheit und die Leistung haben können, während gleichzeitig die Stressreaktionen der Ferkel aktiviert werden.

Es wurde eine Reihe verschiedener Strategien zur Verringerung der Aggressionen beim Absetzen untersucht, wie beispielsweise die Aufteilung der Ferkel in Buchten nach Größe (z. B. in leichte, mittlere und schwere Körpergewichte), der Einsatz selektiver Medikamente sowie von Präparaten, Pheromonen, überdeckenden Gerüchen und Beruhigungsmitteln, die Erhöhung des Tryptophangehalts im Futter zur Regulierung des Serotoninspiegels im Gehirn und die Reduzierung der Stallbeleuchtung. Diese Methoden sind jedoch in der Regel nicht praktikabel oder erfolglos und wo ein gewisser Erfolg zu beobachten ist, sind die Reaktionen in der Regel eher wechselhaft und von kurzer Dauer. Ein alternativer Ansatz zur Verringerung der Kämpfe beim Absetzen, um so das Wohlbefinden der Ferkel zu verbessern und die sozialkognitive Entwicklung, die Gesundheit und die Produktion zu steigern, besteht darin, die wurffremden Ferkel vor dem Absetzen in der Laktationsphase miteinander vertraut zu machen, so dass die soziale Anpassung verbessert und die Feindseligkeit der wurffremden Ferkel untereinander verringert wird, wenn sie abgesetzt und im Aufzuchtstall zusammen untergebracht werden. Dies kann weitere Vorteile für die Anpassung nach dem Absetzen haben, die über das Verhalten hinausgehen. So kann eine bessere Gewöhnung an das Beifutter vor dem Absetzen die Wartezeit bis zur ersten Futteraufnahme nach dem Absetzen verringern. Dieses Konzept der Sozialisierung vor dem Absetzen ahmt bis zu einem gewissen Grad je nach dem im Abferkelstall implementierten System das Verhalten von Sauen und Ferkeln unter (natürlichen) Freilandbedingungen nach. Hier sind die Ferkel bereits im Alter von zwei Wochen in der Lage, soziale Bindungen zu knüpfen und sich in verschiedenen Verhaltensweisen, unter anderem auch im nützlichen Spiel, zu üben.

Das Konzept der Sozialisierung (oder des Vermischens) von Ferkeln vor dem Absetzen, das sich positiv auf das Wohlbefinden, die Gesundheit und (oder) die Produktion nach dem Absetzen auswirkt, ist nicht unbedingt neu. Es reicht über 25 Jahre zurück. Die weit verbreitete Umsetzung wurde jedoch durch praktische Überlegungen im Abferkelstall und vielleicht auch durch die Unkenntnis der Industrie über seine potenzielle Rolle und Vorteile in der modernen Schweinefleischproduktion eingeschränkt. Nichtsdestotrotz ist das Interesse an diesem Konzept in letzter Zeit gestiegen, u. a. wegen der Frage der Zukunftsfähigkeit der traditionellen Kastenstände, der stärkeren Bedeutung des Tierschutzes, der zunehmenden Wurfgröße und der Erkenntnis, dass frisch abgesetzte Ferkel einen guten Start in die Aufzuchtphase haben müssen. Dies spiegelt sich in der zunehmenden Zahl von Veröffentlichungen und Artikeln wider, die in den letzten 5-10 Jahren erschienen sind und von Experten begutachtet wurden.

Wie kann also die Sozialisierung (oder Vermischung) von Ferkeln vor dem Absetzen erfolgen? In der Praxis umfassen die Methoden der Sozialisierung von Ferkeln in Stallhaltung in der Regel die folgenden Optionen: (i) Systeme, die es nur den Ferkeln erlauben, sich zu mischen, während die Sau in ihrem Kastenstand bleibt, z. B. durch das Einrichten von Ferkeltüren zwischen benachbarten Abferkelbuchten, durch das Entfernen der Trennwände zwischen benachbarten Abferkelbuchten und (oder) durch den Zugang zu einem zusätzlichen Ferkelbereich (Abb. 1); oder (ii) Gruppenhaltungssysteme („Multi-Suckling“-Systeme), bei denen sowohl die Sauen als auch die Ferkel frei interagieren können, z. B. durch Entfernen einer Barriere am Eingang der Abferkelbucht, durch Entfernen der Abferkelbuchten selbst oder sogar durch Verlegen von Sauen und Ferkeln aus der Einzelhaltung in die Gruppenhaltung (Abb. 2). In beiden Systemen besteht die Möglichkeit, das Absetzalter zu verlängern, den verfügbaren Ferkelbereich zu vergrößern und die Sauen während der Laktation zu paaren. Wie zu erwarten, sind mit beiden Systemen zahlreiche Vor- und Nachteile verbunden und über die praktische Umsetzung beider Systeme muss angesichts der erforderlichen Investitionen (z. B. in Arbeitskräfte und die Umgestaltung) gründlich nachgedacht werden. Bei der Freilandhaltung von Schweinen gibt es natürlich einige dieser Einschränkungen nicht.

Abbildung 1: Ein Beispiel für ein „Kindergartensystem“, in dem sich Ferkel aus verschiedenen Würfen frei vermischen und interagieren können, während die Sauen in ihren Buchten bleiben (nach Novotni-Dankó et al., 2021).

Abbildung 1: Ein Beispiel für ein „Kindergartensystem“, in dem sich Ferkel aus verschiedenen Würfen frei vermischen und interagieren können, während die Sauen in ihren Buchten bleiben (nach Novotni-Dankó et al., 2021).

Abbildung 2: Ein Beispiel für Gruppenbuchten in der Laktationsphase, in denen sich sowohl Sauen als auch Ferkel vermischen und interagieren können. Quelle: mio1989.com

Abbildung 2: Ein Beispiel für Gruppenbuchten in der Laktationsphase, in denen sich sowohl Sauen als auch Ferkel vermischen und interagieren können. Quelle: mio1989.com

Ein gemeinsames Merkmal des Vermischens wurffremder Ferkel in der Laktationsphase ist eine erhöhte Aggressivität (Abb. 3), die sich auch störend auf das Verhalten der Sauen auswirkt, einschließlich möglicher Zitzenläsionen und der Häufigkeit des Säugens, des Saugverhaltens der Ferkel und eines schlechteren Ferkelwachstums, obwohl diese Auswirkungen in der Regel nur vorübergehend auftreten werden. Die Ergebnisse deuten hingegen darauf hin, dass sozialisierte Ferkel soziale Fähigkeiten erlernt haben, die ihnen längerfristig zugute kommen und sie in die Lage versetzen, bei künftigen aggressiven Begegnungen mit wurffremden Schweinen nach dem Absetzen schneller stabile Dominanzhierarchien zu bilden. Darüber hinaus kann sich die frühe Sozialisierung von Ferkeln durch das Vermischen von Würfen vor dem Absetzen nicht nur positiv auf das Verhalten (mehr Spiel, weniger Kämpfe) und die Leistung nach dem Absetzen auswirken, sondern auch auf die Physiologie. In einer neueren Studie von Saladrigas-García et al. (2021) wurden die Auswirkungen einer frühen Sozialisierung und Anreicherung der Umgebung von Saugferkeln (mit Spielzeug) auf die zäkale Mikrobiota und die metabolischen Reaktionen vor (-2 Tage) und nach dem Absetzen (+3 Tage) untersucht. Die genannten Autoren berichteten über ausbleibende Auswirkungen der Sozialisierung und Anreicherung der Umgebung vor dem Absetzen, aber nach dem Absetzen deuteten Unterschiede in der mikrobiellen Struktur, eine verringerte jejunale Expression des TLR2-Gens (Toll-like-Rezeptor 2), eines Transmembranrezeptors, der eine grundlegende Rolle bei der Erkennung von Krankheitserregern und der Aktivierung der angeborenen Immunität spielt, sowie ein Rückgang von Metaboliten, einschließlich Triglyceriden und Fettsäuren, auf eine Auswirkung auf einen verringerten Energiestoffwechsel hin, der mit einer Verringerung aggressiver Verhaltensweisen bei diesen Tieren einhergeht.

Abbildung 3: Least-Square-Mittelwerte und Standardfehler der kumulativen Läsionswerte der abgesetzten Ferkel, die zuvor in Gruppenhaltung (GH) oder in Einzelhaltung (EH) untergebracht waren. Signifikante Unterschiede sind durch unterschiedliche Buchstaben gekennzeichnet (p< 0,05) (aus Schrey et al., 2019).

Abbildung 3: Least-Square-Mittelwerte und Standardfehler der kumulativen Läsionswerte der abgesetzten Ferkel, die zuvor in Gruppenhaltung (GH) oder in Einzelhaltung (EH) untergebracht waren. Signifikante Unterschiede sind durch unterschiedliche Buchstaben gekennzeichnet (p< 0,05) (aus Schrey et al., 2019).

Alles in allem scheinen Versuchsdaten und anekdotische Erfahrungen darauf hinzudeuten, dass die Schaffung eines physisch und sozial angereicherten Umfelds in der frühen Lebensphase, z. B. durch Sozialisierung bzw. dem Vermischen von Ferkeln aus verschiedenen Würfen, die Reaktionen der Ferkel positiv dadurch verändern kann, dass die Auswirkungen von sozialem Stress gemindert werden.

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